Freitag, 8. Oktober 2010

Der Vampir heute - Memento mori mal anders!

Der Tragödie zweiter Teil oder Autorenbeschimpfung und andere Dinge

Vampire sind cool. Vampire sind sexy. Vampire sind das A und O, das Alpha und das Omega der Unterhaltungsindustrie. Mit Vampiren kann man gerade verdammt viel Kohle scheffeln, deswegen wird das Thema jetzt auch bis zur Lactoseintoleranz gemolken1. Oder sollte ich sagen ausgeblutet?!
Aber wieso? Wieso nur hat der Mainstream alle zehn Jahre Lust auf Vampire? Bram Stoker hat im 19. Jahrhundert einen Hype losgetreten, worüber er sich wohl selbst nicht recht bewusst war und womit er auch nicht gerechnet hat, sonst hätte er's vermutlich dabei beruhen lassen2. Vorher dümpelte das Thema „Blutgeiler Toyboy“ nur so vor sich hin, denn wie aufmerksame Rezipienten eventuell aus meinem vorhergehenden Text wissen, gab es Vampire in der Mythologie schon lange vor Edward. Jaja, die Literatur als Zeichen der Cholera. Doch ist hier die Belletristik das Symptom? Oder die ansteckende Krankheit höchst selbst? Ersteres würde heißen, dass die blinde Masse zeitgleich nach dem selben Unsinn lechzt. Den Nerv der Zeit haben Frau Meyer, Mrs. Anne Rice und vor ein paar Jährchen mehr Mister Stoker, getroffen, wie man es so nennt. Und wie auch schon zu Zeiten Stokers geschehen, wird der Markt geflutet. Andere von mir vorgestellte Buchreihen gab es allesamt schon vor der Kitschstory-of-Doom. Der Auslöser des Wahnsinns war jedoch Bella Swan mit ihrem Vampboy Edward Cullen. Bienenschwarmpoetik vom feinsten. ALLE lesen es. ALLE finden es toll. Hören Sie das einheitliche Summen? Wieso nur mag das jemand? Wegen der antiquierten moralischen Werte? Dem mangelnden a) Talent der Autorin, oder b) IQ der Hauptdarstellerin? „Also, äh, Mist. Ich kann mich nicht entscheiden. Ich glaub ich nehm' den Publikumsjoker“ Sollen wir jetzt etwa alle zu Bilderbuchlesern mutieren oder wie? Mit ihren Büchern bespuckt Stephenie Meyer das Lebenswerk von Frauen wie Alice Schwarzer. Und deshalb spucke ich zurück!4 Mein Urururururgroßonkel mütterlicherseits kam aus Guatemala und war ein Guanako. Ich habe also die perfekten Anlagen für einen Gegenschlag. Doch zur Sache: Das Übel als bewegtes Bild. Oder: Rezeption über die audio-visuelle Darstellung von populärer Literatur des einundzwanzigsten Jahrhunderts aus pecunivoren5 Beweggründen aka Filmkritik über käsige Romanverfilmungen. Alles nahm seinen Anfang mit den Dracula-Filmen. Aber die hatten Stil! Die waren nicht für die geifernde Masse an Teenies konzipiert, man sollte sich gruseln. Graf Dracula war böse, irgendwie sexy und sehr elegant. Er sah nicht aus wie irgend ein Typ, der halbtags bei einem amerikanischen Bekleidungshersteller oben ohne im Eingangsbereich rumgammelt und alle Leute die vorbeikommen mit „Whatsuuuup?“ begrüßt. 



Er war weltmännisch. Ein echter Kosmopolit, gereift über die Jahrhunderte. Oder er war zumindest lustig wie die Nachtgestalten in Roman Polanskis Tanz der Vampire. In dem Film verguckt sich doch tatsächlich der homosexuelle Sohn des Vampirfürsten in den Protagonisten und die Dorfbewohner staffieren ihre Häuschen derart üppig mit Knoblauch aus, das jeder Besitzer eines griechischen Restaurants vor Neid Insolvenz anmelden – ähäm, ich meine grün anlaufen könnte.
Twilight und Konsorten unterbieten darstellerisch so ziemlich alles was gerade auf dem Markt ist. Ich musste lachen, weil so viele Stellen (die bierernst gemeint waren) so unglaublich unfreiwillig komisch waren. Selbst der Twilight-Spoof Beilight – Bis(s) zum Abendbrot hat mich nicht so zum lachen angeregt wie das Original. Die Serienadaption der Sookie-Stackhouse-Buchreihe, True Blood (bei uns leider nur im Bezahl-TV und auf DVD), dagegen ist super. Nicht nur die wunderbare Anna Paquin, bekannt aus X-Men, auch die Nebendarsteller überzeugen. Es gibt ziemlich viel Blut, Action und Sex, also nichts für zarte Gemüter und fundamentalistische Christen6. Auch The Vampire Diaries (auf Pro7) ist gut gemacht. Lediglich die deutsche Synchronisation nervt etwas, wer die Serie auf Englisch schaut hat mehr davon: mehr Wortwitz und nicht die Stimme von Blair aus Gossip Girl als weiblicher Hauptcharakter. Gibt’s echt so wenig Synchronsprecher in Deutschland?

 
Fazit: Wer tote Vampire sehen will, der gucke Buffy oder Blade, denn in den heutigen TV-Universen wird Mister Reißzahn ganz doll geknuddelt und nicht gepfählt.


Das war es vorerst mit den Untoten, es sei denn es meldet sich einer und fordert eine ausführliche Review zum Thema Schlechtester-Kinofilm-seit-High-School-Musical-Teil-XXI-alias-Twilight.

Bis hierhin erstmal.
Adieu



1Vorschlag für neuen Buchtitel: Bis(s) zur Laktoseintoleranz – Iss dein Müsli halt mit Wasser!
2Zumindest wenn ihm jemand Twilight gezeigt hätte.
4An dieser Stelle müssen zwei Dinge angemerkt werden: erstens, ich bin bei weitem nicht so radikal wie Frau Schwarzer, weil es der Zeit nicht mehr angemessen ist (war ...danke, Twilight.), aber dennoch haben wir es Menschen wie ihr zu verdanken, dass wir heute Dinge mit einer Selbstverständlichkeit tun dürfen, was anderen Generationen von Frauen verwehrt war. Das mindeste was wir den Feministinnen schuldig sind, ist nicht Respekt, nein, wir sind ihnen emanzipiertes Handeln schuldig, als auch den Mut für unsere eigenen Rechte und die unserer Mitmenschen einzustehen. Zweitens habe ich erst nach zehn Minuten weiter schreiben können, da ich aus Affekt mein Laptop anspuckte und dies wieder zuerst säubern musste.
5Ein von mir erfundenes Fremdwort zusammengesetzt aus lat. pecunia: Geld, und vorare: verschlingen, gierig fressen; neu-lisa-lat. pecunivor = geldgeil
6oder strenge Katholiken...oder andere Spaßbremsen egal welcher Konfession. Weltfriede.

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