Der Tragödie erster Teil
Wie angekündigt: Kapitel zwei der Abrechnung, äh, Buchkritik.
Betritt man dieser Tage einen Buchladen, wird man nahezu von der Hälfte der Buchcover mit roten1, blutlüsternen, untoten Augen angestarrt. Vampirromane schießen wie Kartoffelbovisten2 aus dem Boden und bevölkern die Regale mit ihren dunklen, auf unheimlich getrimmten Covern. Komischerweise sind diese Gruselschleudern vornehmlich in der Kinderbuchabteilung zu finden. Das macht bisweilen schon recht stutzig. Betrachtet man die Materie aber näher, so wird einem einiges klar. Weder gibt es anständige Jungfrauenmorde, noch werden kleine Kinder als petits fours frais in die Handlung mit eingebunden. In vier von fünf Vampirbüchern geht es vornehmlich um die Beziehung einer hübschen, jungen Frau und deren Beziehung zu einem oder mehreren Vampiren. Lediglich Markus Heitz verschont den Leser in Kinder des Judas mit jeglicher Romantik, schockt aber mit recht plakativ beschriebenen Massakern3. Die Restlichen Bücher sind über Jungvampire im Vampirinternat4. Ja, richtig gehört. Ein Internat für Vampire. Harry Potter mit Fangzähnen.
Aber zurück zu den Büchern die ich gelesen habe: Die in den USA sehr gehypte5 Buchserie von Charlaine Harris, bekannt als die Sookie-Stackhouse-Buchreihe überrascht positiv: erstens, die Bücher sind in der ersten Person geschrieben. Das ist wirklich nicht gerade einfach, denn wie vielleicht bereits bekannt, können das nur wenige Autoren wirklich gut, und die, die es gut können sind meistens leider schon tot. Die Autorin verfügt über komödiantisches Gespür und der unerwartete Wortwitz lässt einen schon mal in lautes Gelächter ausbrechen. Allerdings ist das Buch wirklich nichts für Kinder. Die Protagonisten haben nämlich ziemlich oft, äh, recht intime Momente. Das Vampirbild dieser Buchreihe ist eher klassisch und unterscheidet sich somit deutlich von Twilight. Die Vampire sterben wenn sie in die Sonne kommen, man kann sie pfählen und: das allerbeste, sie haben ein- und ausfahrbare Fangzähne. Sie schlafen auch in Särgen, haben aber nicht zwingend wie der Oldschool-Dracula eine Brillantinematte auf dem Schädel6. Sie sind, wie der klassische Blutsauger, nicht in der Lage ein Haus eines Menschen ohne Einladung zu betreten, diese kann jedoch jederzeit widerrufen werden. Was jedoch nicht ganz so traditionell ist, ist die Möglichkeit einen Vampir durch Silber zu verletzen, was sonst eher ein Schwachpunkt von Werwölfen ist. Dazu kommt, dass sowohl Spiegel, Knoblauch und der Anblick von Kreuzen die
Vampire völlig kalt lassen. Relativ ähnlich verhält es sich mit den Vampiren aus Lisa J. Smiths The Vampire Diaries. Diese Artgenossen haben allerdings durch Gadgets, magische Ringe7, die Möglichkeit sich im Sonnenlicht aufzuhalten. Andere Magische Fähigkeiten wie das Erzeugen von Nebel oder das Verwandeln in Tiergestalt sind inklusive. So wie bei Bram Stokers Original, dem guten alten Graf Dracula, welcher je nach belieben Wolfsmenschen- oder Fledermausgestalt annehmen konnte. Wie auch die Vampire der Sookie-Stackhouse-Buchreihe, haben Smiths Vampire die Fähigkeit, den Geist eines Menschen zu kontrollieren. Dies kann bei Smith allerdings mit dem Einnehmen oder am Körper Tragen von Eisenkraut8 verhindert werden. Markus Heitz' Die Kinder des Judas orientiert sich in seiner Darstellung sehr an den folkloristischen Überlieferungen über osteuropäische Vampire. Sie können keine Flüsse überqueren und es gibt verschiedene Arten, die mehr oder weniger hirnlos sind, doch vor allem eines im Sinn haben: Menschen verspeisen. Wen die Differenzierungen der Vampirarten interessiert, dem empfehle ich wärmstens die Worte Dhampir, Upir und Strigoi als Auswahl von folkloristischen Vampiren nachzuschlagen. Die Lamien aus dem antiken Griechenland stellen auch eine Unterart von Vampiren dar. Heitz' rhetorische Kompetenzen sind nicht von schlechten Eltern. Das Buch ist jedoch nichts für schwache Gemüter und zarte Pflänzchen, aber diejenigen, die sich gerne gruseln, werden ihre Freude haben. Zu The Vampire Diaries ist zu sagen, dass die Bücher definitiv spannender sind als Twilight, mit kitschigen Szenen aber dennoch nicht geizen. Alles in allem aber lesbar.
Wer Fragen hat, der melde sich. Ich beantworte gerne alles, soweit es nicht völlig dämlich ist.
Eure Lisa
1Wahlweise auch eisblau, giftgrün oder hühneraugengelb.
2Auch Hartschalenboviste ist ein Pilz der Gattung Scleroderma aus der Ordnung der Röhrenpilze.
3Dieses Buch stand NICHT in der Kinderbuchabteilung...
4Das kann man jetzt auch nicht über einen Kamm scheren. Aber mal ernsthaft. Vampirinternat? Seriously? Zu meiner eigenen Erleichterung habe ich den Titel des Buches sofort verdrängt.
5 „Don't believe the Hype!“ „Ja, das isn ganz böser, der Haip!“
6Nicht jeder kann ein Bela Lugosi sein!
7Mit einem Stein aus Lapislazuli, welcher seine Karriere als Schmuckstein bereits vor 7000 Jahren begann und so ziemlich das Kostbarste war, was die alten Ägypter besaßen, siehe Totenmaske des Tutanchamun.
8Da hat sich Lisa J. Smith Gedanken gemacht: Echtes Eisenkraut (Verbena officinalis) hat schon seit Urzeiten in der Kräuterheilkunde Tradition und wurde bereits im Altertum kultisch verwendet. Es ist unter vielen Namen bekannt, in Wales trägt es zum Beispiel den Namen Devil's bane – Teufelsbann. Und was liegt da näher, das Gewächs gegen Vampire einzusetzen?!
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