Albrecht Dürer, Selbstbildnis im Pelzrock,
1500, Öl auf Holz, 67x48,7cm, Alte Pinakothek München
In dieser Serie will ich dem Rubriknamen Buch&Kunst&Kultur-Kritik einmal genüge tun und einige bedeutende Werke der Kunst genauer erörtern, für diejenigen die immer mal etwas über die Künste wissen wollten, aber nie zu fragen wagten.
Teil I
In diesem Artikel wird das Selbstbildnis Dürers im Pelzrock behandelt. Albrecht Dürer ist einer der, wenn nicht sogar der bedeutendste Renaissancemaler den es in Deutschland1 gab. Er lieferte nicht nur viele Gemälde von unschätzbaren Wert für die Nachwelt, sondern war auch einer der ersten Künstler überhaupt, der ein Selbstbildnis von sich anfertigte. Damals war er gerade einmal dreizehn. Sechzehn Jahre später schuf er dann das Selbstbildnis von dem dieser Artikel handelt:
Jetzt fragen sich einige bestimmt „Ja super, da hat sich jetzt einer selber gepinselt und das soll was besonderes sein? Das machen doch alle Pinselschwinger“ und ich kann antworten: FALSCH. Damals war ein Selbstbildnis auch gleichzeitig die Demonstration eines völlig neuen Kunstverständnisses. Während im Mittelalter der Fokus der Kunst auf den christlichen Lehren lag, verschiebt sich dieser mit dem Anbruch des humanistischen Zeitalters: der Mensch und das irdische Leben, die Schönheit der Natur und schöpferische Kraft des Künstlers rücken in den Mittelpunkt. Der divino artista ist geboren! „Divino Artista? Komischer Name, ich kenn den Kerl gar nicht, nie gehört so was.“ Tja, das liegt wohl daran, dass das kein Name ist, sondern den Künstler als Erschaffer von etwas bezeichnet. Lat. divinus = göttlich. Die Bezeichnung weißt auch gleichzeitig auf die Genialität des Künstlers hin. So viel zum Vorwissen. Man betrachte das Bild ein mal genauer. Man sieht eine Person im Porträt und zwar frontal. Da das ganze bis zur Brust des Porträtierten reicht, nennt es sich Bruststück. Es zeigt den 28 Jahre alten Albrecht Dürer. Unser heutiges Verständnis von Ästhetik eckt eventuell, oder beziehungsweise mit großer Sicherheit, an dem Bildnis an, das damals als Essenz absoluter Schönheit galt. Männer mit drapierten Korkenzieherlocken und Jäckchen mit Pelzkragen sind aktuell nicht wirklich en vogue.
Was aber die geometrische Konstruktion angeht, hatte der Albrecht es wirklich drauf: er bedient sich mit großer künstlerischer Raffinesse an den Vorteilen des Goldenen Schnittes. Das menschliche Gehirn rezipiert Dinge, die im Verhältnis des Goldenen Schnittes zueinander stehen besonders einfach und empfindet diese dadurch auch als hervorstechend schön und als angenehm zu betrachten. Dürer konstruierte sein Gesicht komplett nach dem Goldenen Schnitt, das Bild als solches ist derartig durchgestylt, wie man heute dazu sagt, dass das Auge des Betrachters automatisch Gefallen findet. Eine Neuerung ist auch, dass der Künstler sein Bild signiert, in Dürers Fall sogar auf beiden Seiten. Das Monogramm Dürers, bestehend aus seinen Initialen, befindet sich vom Betrachter aus links, auf der rechten Seite, ebenfalls auf Höhe der Augen steht eine vierzeilige lateinische Inschrift mit folgendem Wortlaut:
Albertus Durerus Noricus So malte ich, Albrecht Dürer aus Nürnberg,
ipsum me propriis sic effin mich selbst mit unvergänglichen Farben
gebam coloribus aetatis anno XXVIII im Alter von 28 Jahren.
Zur genauen Aufschlüsselung der geometrischen Konstruktion und weiteren künstlerischen Neuerungen im zweiten Teil des Artikels.
Ich würde mich über Anregungen und Kritik freuen, denn wie schon Cicero sagte:
honos alit artes
Lisa
1Natürlich gab es damals noch kein Deutschland so wie wir es heute kennen. Es war viel eher eine Akkumulation von vielen kleinen Fürstentümern ohne direkte einheitliche Regierung. Man mag zwar jetzt einwenden „es gab aber doch einen deutschen Kaiser“, aber was seine Vasallen aka. Dde Fürsten der Ländereien anging, hatte er nicht all zu viel zu melden und war vielmehr auf sie angewiesen als umgekehrt.